Obwohl Matthias Dietermann – 1961 in Wallendorf geboren – seit 1985 nicht mehr in dem Beilsteiner Ortsteil lebt, lässt ihn die Liebe zu seinem Heimatort nicht los. Immer wieder zieht es ihn an den Ort seiner Kindheit zurück, er engagiert sich ehrenamtlich, schwärmt von seiner Kindheit und lässt in seinen Gedanken viele Erinnerungen wiederaufleben. Bereits während seinem Studium an der Verwaltungsfachhochschule in Wiesbaden, Mitte der 1990er Jahre, verbringt der Autor viel Zeit und recherchiert im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden, sammelt historische Aufnahmen und Aufsätze und erstellt ein erstes Manuskript über Beilstein.
Erst 25 Jahre später, 2018 bei einer Wanderung durch seinen Heimatort Wallendorf, kommt ihm die Idee, eine Chronik über den kleinsten Beilsteiner Ortsteil zu erstellen. Ihm ist es wichtig, die Geschichte und die Geschichten, die Menschen und Begebenheiten, für die Beilsteiner am Leben zu erhalten. „Ich wollte alle Bewohner von Wallendorf, die ich kannte oder kenne, und die es auch heute nicht mehr gibt, vor dem Vergessen bewahren und somit auch meine Kindheitserinnerungen auf diese Weise lebendig halten“. Er sammelt bei fast allen Wallendorfer Familien alte Fotos, macht aktuelle Fotos und bringt alles zu Papier. „Ich merkte bei meinen Besuchen bei den Wallendorfer Familien, wie wichtig es ihnen war, dass eine Chronik über den kleinsten Beilsteiner Ortsteil entstehen sollte. Alle waren mit Herzblut und Begeisterung dabei und unterstützten mich mit alten Fotos und Geschichten“, berichtet Matthias Dietermann.
„Ich verbrachte meine gesamte Kindheit und Jugendzeit, in den Häusern meiner Vorfahren, in dem idyllischen Örtchen am Ulmbach. Einige Begebenheiten habe ich während dieser Zeit in den Jahren 1961 bis 1984 dort selbst erlebt und viele Bilder und Erinnerungen aus dieser Zeit noch vor Augen. Wenn ich heute Wallendorf durchwandere oder mir das Dorf vom Eichholz oder der Rassel betrachte, ist vieles von damals nicht mehr zu sehen oder zu hören. Verstummt das Quietschen und Rattern der Seilbahnen, die Basalt von der Ley und Ton von der Rassel an die Verladestationen der Ulmtalbahn nach Wallendorf transportierten. Ebenso wie das dampfen der Lokomotiven mit den Güterwagons im Schlepptau, wie auch das hupen der Schienenbusse, wenn sie am Wallendorfer Bahnhof anhielten. Das qualmende Backhaus in der Dorfmitte, wo es an Sonnabenden nach frisch gebackenen Brot und Kuchen duftete, abgerissen und nur noch in der Erinnerung vorhanden.
Die Misthaufen, vor und neben den Häusern, wo alle Familien im Nebenerwerb Landwirtschaft betrieben, ebenso alle verschwunden, wie auch die freilaufenden gaggernden Hühner und krähende Hähne im Dorf, die weidenden Kühe auf den Wiesen in und um Wallendorf. Auch der Geruch der Schweine und Pferde aus den Ställen, wie der Duft von Stroh und Heu aus den Scheunen, nicht mehr wahrzunehmen. Ebenso die zahlreichen Äcker, wo die Wallendorfer Kartoffel, Rüben und Mais anbauten, wie goldgelbe im Winde wogende Getreidefelder, heute nicht mehr zu sehen. Die vielen quakenden und schwimmenden Enten von Rossjopps Hans im Ulmbach zwischen den beiden Brücken im Dorf nicht mehr da und zuletzt vermisst man auch das schnauben und stampfen der beiden Kaltblüterpferde, die jeden Abend Dielersch Otto auf ihrem breiten Rücken von der Holzarbeit aus dem Wald nach Hause transportierten.
Ebenso die von uns Wallendorfer Kindern gebauten Häuschen und Verstecke, in den Hecken und Büschen entlang des Ulmbachs, am Bachgarten und Helgengarten, wo wir fast jeden Tag zusammenspielten, nichts mehr davon zu sehen. Auch einige Häuser stehen heute leer oder wurden mittlerweile abgerissen. Und dennoch wurden viele der bestehenden Häuser modernisiert und werden auch von jungen Familien bewohnt. Auch drei neue Häuser wurden in den letzten Jahren errichtet. Wallendorf war, ist und wird fortbestehen, weil sich hier immer wieder Menschen zum Leben finden“, berichtet der Autor.
Neben der Entstehung des Ortsnamens Wallendorf, dem Ortsbild, ein Rundgang durch das alte Wallendorf und dem heutigen Wallendorf, beinhaltet die Chronik noch die alten Wallendorfer Orts- und Hausnamen, eine Bilddokumentation Menschen und Leben in Wallendorf, alle Wallendorfer Flurbezeichnungen mit historischer Belegung der Flurstücke bebildert, der Ulmbach in Wallendorf, die Anschlüsse und Haltestellen der Ulmtalbahn (Balkanexpress) in Wallendorf, die Feier 1200 Jahre Wallendorf mit Kirmes 1981, wie mehrere Gedichte in Dialekt und Hochdeutsch über den kleinen Ort und alle seine Einwohner aus den Jahren 1961-1980. Weiterhin wurden die in den Büchern Beilstein im Westerwald, erschienen 2002 und 400 Jahre Beilsteiner Schlosskirche, erschienen 2016, vorgeleisteten Arbeiten und Kapitel von Ewald Heuser, unserem langjährigen Beilsteiner Heimatforscher, mit eingearbeitet. „Ihm gilt an dieser Stelle mein ganz besonderer Dank“ so Matthias Dietermann. Die Chronik umfasst 240 Seiten und beinhaltet 150 teilweise historische Schwarzweiß Aufnahmen und 240 Farbbilder.
Eine historische Dokumentation dagegen ist „Beilstein“, die die jahrhundertealte Geschichte des Ortes in chronologischer Zusammenfassung vorstellt. Zahlreiche Aufsätze, die sich mit der Erforschung Beilsteins beschäftigen, sind ebenfalls enthalten. Darüber hinaus sind auch historische Amtsbeschreibungen der damaligen Amtmänner von 1645 und 1783 enthalten. Die Chronik umfasst 300 Seiten und wartet mit 125 teils historischen Aufnahmen auf.
Die Geschichte der Familie Dietermann ist eng mit der Geschichte des Turn- und Sportvereins „Nassau“ Beilstein verbunden. Der Tuspo Nassau Beilstein, insbesondere seine Fußballabteilung kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Der Verein feierte im Jahr 2020 sein 100-jähriges Bestehen. „In diesen vergangenen 100 Jahren waren es immer wieder Familienmitglieder der Familie Dietermann, die neben anderen Familien in unserem Heimatdorf Beilstein, den Verein entscheidend mitgeprägt und vorangebracht haben, mit dem Tuspo Gen bereits in die Wiege gelegt und infiziert steht die Familie Dietermann für Blau-Orange ein Leben lang“, beschreibt der Autor in seinem Vorwort.
Die „Dietermänner“, wie sie im Dorf genannt werden, nebst den eingeheirateten Familienmitgliedern, waren sowohl als aktive Fußballspieler beim Tuspo „Nassau“, wie auch in anderen unterschiedlichen Funktionen, wie 1. Vorsitzender, 2. Vorsitzender, Kassierer, Trainer, Jugendleiter, Jugendwart, Sportheimwirt, etc. tätig. Hierbei hat ihn insbesondere der langjährige Vereinsvorsitzende des Tuspo Nassau Beilstein, Bernd Stockenhofen, maßgeblich unterstützt. „Ihm gilt an dieser Stelle auch mein ganz besonderer Dank“, betont Matthias Dietermann.
Zum Abschluss der Chronik erinnert sich der Autor: Als siebenjähriger Schuljunge ist er nach dem Unterricht auf dem Nachhauseweg am Haus seiner Großeltern vorbeigekommen. Dort saßen vor dem Haus auf der alten Holzbank sein Opa Willi und dessen Bruder Alfred, den alle in der Familie Alfredpatt nannten. Matthias setzte sich zwischen die beiden auf die Bank und hörte ihnen zu, wie sich die beiden betagten Männer, eine Zigarre rauchend, über das Dorfgeschehen und den Fußball unterhielten. Nach einer Weile sagte Alfredpatt zu Matthias: „Klaaner, oans merk der en deim Läwe. Dau seist koan oarmer Mann, dau seist koan reicher Mann, dau seist en Dietermann. Un en Dietermann muss immer des dou, was er fier richtig hält, eh Moaning hu, doa dehenner stieh, sich fier de Leu uns Läwe em Durf engagieren un strag durchs Läwe gieh. Un nadirrlich en gourre Fußball spiel.“
Im Hochdeutsch: „Kleiner, eins merke dir in deinem Leben. Du bist kein armer Mann, du bist kein reicher Mann, du bist ein Dietermann. Und ein Dietermann muss immer das tun, was er für richtig hält, eine Meinung haben, da dahinterstehen, sich für die Leute und das Leben im Dorf engagieren und gerade durchs Leben gehen. Und natürlich einen guten Fußball spielen.
Die Chronik umfasst 260 Seiten mit 150 Schwarz-Weiß-Aufnahmen, 150 Farbbilder und zahlreiche Zeitungsartikel.
Stolzer Besitzer von jeweils einem Exemplar ist nun der Heimat- und Geschichtsverein Beilstein. Das Haus selbst könnte vermutlich genauso viele Geschichten erzählen. Gebaut um das Jahr 1783, wird es vom Verein in kleinen Schritten saniert, immer dann, wenn die Finanzen und Spenden es zulassen. Und im Haus selbst sammelt der Heimat- und Geschichtsverein alles, was mit dem Dorf zusammenhängt. „Hier ist der richtige Ort und der Platz um die Chroniken, auch für die nachfolgenden Generationen, in Erinnerung zu halten“, erklärt Matthias Dietermann.
„Wir bedanken uns ganz herzlich für das schöne Geschenk“, sagt Astrid Schaffarz, die Vorsitzende des Vereins. „Und wir hoffen, dass wir Sie hier an einem Abend für eine Lesung der Chroniken begeistern können.“ Sie spricht den weiteren Mitgliedern des Vereins, die zur Übergabe gekommen sind, vermutlich aus dem Herzen, denn die Werke wandern von Hand zu Hand. Und die eine oder andere enthaltene Erinnerung lebt bei manchem ebenfalls wieder auf.
Das freut Matthias Dietermann. Und er wird mit einem erneuten Besuch bestimmt nicht lange auf sich warten lassen. „Ich fühle mich Beilstein immer noch sehr verbunden“, sagt er. „Und Wallendorf bleibt immer ein großes Stück meiner Heimat. Ich bin und bleibe ein Waalroffer Bub“.
Zum Abschluss verweist der Autor noch einmal darauf, dass aufgrund urheberrechtlichen – und privatrechtlichen Gründen, die dem Heimat- und Geschichtsverein Beilstein überreichten Chroniken, Wallendorf (Historie-Erinnerungen-Gegenwart), Beilstein (Herrschaft-Amt-Residenz) und Familie Dietermann (Blau-Orange ein Leben lang), nicht veräußert, kopiert, verliehen und weiterverbreitet werden dürfen.
Die Chroniken können jedoch von allen Interessenten in den Örtlichkeiten des HGV Beilstein, in „Simons Haus,“ eingesehen werden.